Donato Carrisi’s Erstlingswerk, Der Todesflüsterer, ist eine wahre Wundertüte, in
vielerlei Hinsicht – positiv wie auch negativ. Der Anfang fängt stark an, 6
linke Mädchenarmstücke werden mitten im Wald gefunden, 5 davon können
vermissten Mädchen zugeordnet werden. Wer aber ist bitte Mädchen Nummer 6 und
wo sind die Besitzer der Arme und wer zur Hölle macht so etwas?
Profiler Goran Gavila bekommt die Aufgabe, genau dies
herauszufinden. Ihm zur Seite steht die externe Ermittlerin Mila Vazquez, welche
als Expertin für vermisste Kinder ins Team dazu stößt. Und schnell wird klar.
Der Täter wartet nur und hat alles längst schon geplant.
Während die gut erarbeiteten und sympathischen Charaktere mächtig
mit ihren vergangenen Privatleben kämpfen müssen und etliche Probleme
offenbaren, spielt der Unbekannte schonungslos mit ihnen. Sät Misstrauen und
Verwirrung, und führt obendrein sarkastisch moralisch zu vergangenen
Verfehlungen und Verbrechen scheinbar Unbeteiligter.
Das ganze liest sich gut und flüssig, trotz authentisch
versuchter Stimmung (vor allem im forensischen Bereich, bezogen auf
Ermittlungsverfahren) und entwickelt einen unwiderstehlichen Sog durch sich immer
rasanter überschlagende Ereignisse und Wendungen.
Dem Autor gelingt es, alle paar Seiten mächtig zu
überraschen und das bislang Undenkbare möglich zu machen. Selten hat mich seit
langem ein Buch dermaßen gefesselt.
Allerdings hängt hier auch gefährlich baumelnd der
Fallstrick! Die Story ist ungemein verstrickt und durchplant, dass sie – die
„Lösung“ des Falls im Kopf – in Bezug auf Realismus und Umsetzbarkeit leider
doch ein wenig angezweifelt werden darf.
Und somit steht hier der Leser dieses Reviews vor dem
Dilemma:
Will ich einen ultraspannenden, rasant erzählten und
überraschenden Thriller der gehobenen Klasse lesen, darf ich ohne Probleme
zugreifen und werde dabei auch sehr gut bedient.
Sollte der Faktor Realismus eine übergeordnete und tragende
Rolle spielen, so dürfte es ab dem letzten Drittel kompliziert werden. Nicht
das es hier ganz utopisch wird, aber wir bewegen uns durchaus auf einem Level,
wo man dran glauben kann oder auch nicht.
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