Ungewohnt anders rum fing hierbei
die Vorgeschichte, sprich meine Kaufentscheidung für das Buch an. Ganz im
Gegensatz zu sonst üblichen Fällen empfahl nicht ich einem Kunden einen Titel,
sondern ein Kunde machte mir Steinfest im Allgemeinen schmackhaft.
Der würde ganz anders schreiben,
hätte ausgefallene Ideen, unübliche Szenarien und wäre darüber hinaus auch noch
sehr unterhaltsam und lustig. Als ich dann beim Durchblättern in der Wühlkiste Heinrich
Steinfest las, angelte ich mir sofort den Titel „Cheng“, welcher
noch den Zusatz „Sein erster Fall“ trägt.
Dem glaub ich soweit auch,
allerdings ist der Anhang mehr als nur irreführend. Dort wird nämlich recht
informativ von den Anfängen des Charakters ‚Cheng’ berichtet. So fing er als
unwirkliche Comicfigur an, bis er 2003 mit dem Titel „Ein sturer Hund“ den
Sprung ins Buch schaffte. In der Verlagsvorschau ist hierbei allerdings von
Fall zwei die Rede. Es folgt „Ein dickes Fell“ – in der Vorschau als Fall drei
erwähnt und dann wird chronologisch wie folgt fort gefahren:
Somit ist es nur konsequent, daß Markus Cheng in der Wiener Hauptbücherei
auf ein Buch stößt, daß den Titel Cheng trägt (das Buch dieser Seiten).
Was?!! Das klingt so nach Band vier (Vorschau) oder Band drei
(Titelaufzählung) oder – mögliche Erklärung folgt im letzten Absatz. „Bei
dieser Wiederauflage handelt es sich um…“ – sprich es muss einen sinngemäß,
gleichen Titel zuvor schon gegeben haben, ist somit also wohl Band 4 und doch
Band 1 zugleich. Bitte klarer ausdrücken oder Lektor mal wieder bezahlen!
Und in dieser sanften Schärfe steigen wir auch gleich ein:
Cheng ist ein recht erfolgloser und abgewrackter Privatdetektiv und wenn er
nicht gerade Ehebrechern hinterher spioniert, arbeitslos ist oder chronisch ob
seines Aussehens und Namens für einen Chinesen gehalten wird, was angesichts
seiner österreichischen Staatsbürgerschaft für ihn ärgerlich, für den Leser aber
ein never-ending Running-Gag ist, nimmt er genau die falschen Aufträge an.
Ranulph Field fühlt sich verfolgt und bedroht und wendet sich an Cheng,
trotzdem ist er schon nach wenigen Seiten mit einer merkwürdigen Botschaft in
seiner Wohnung tot. Und damit zieht es Cheng, ob gewollt oder nicht gewollt,
mit in den ganzen Schlamassel.
Wirklich besonders ist hierbei in der Tat der Schreibstil Steinfests. Dieser
liest sich nämlich weniger denn einem klassischen Krimi, sondern mehr wie
äußerst bösartige und zynische Kolumnen in mutigen und provokanten
Satirezeitschriften. In der Regel geht es nämlich weit darüber hinaus, was in
der normalen Tageszeitung auch nur abgedruckt werden könnte.
Die Sicht des Erzählers ist dabei in extremster weise auktorial, sprich er
stellt kurze und knappe Tatsachen in gewohnt fieser Natur weit in die Zukunft
hinaus klar und berichtet das ein oder andere Male sehr ungerührt und direkt über
unnatürlich verkürzte Lebenserwartungen und Schicksalsschläge diverser
Randfiguren. Dabei maßt er sich auch an, die Sinnhaftigkeit verschiedener
Handlungen spöttisch zu beurteilen und ist generell das Maß aller Dinge.
Herzlos ist der Autor ebenso noch, denn so stilisiert er Cheng zum
ultimativen Antihelden, indem er ihm einen unglücklichen Zufall nach dem
anderen um die Ohren knallt und zunehmend verkrüppelt.
Das funktioniert auf eine erfrischende Art und Weise erstaunlich lang, aber
irgendwann ist der Punkt erreicht wo ich mir denke.
Wie kann man Wien, Österreich, die Menschheit nur so dermaßen hassen?
Spätestens wenn über die elitäre Wiener Kunstgesellschaft hergezogen wird
steige ich aus, weil mir diverse tagespolitische Spitzen vollkommen fremd sind.
Es ist leider auf lange Sicht nur zu anstrengend, das Thema zu sehr
ausgereizt. Die Boshaftigkeit wirkt nicht mehr befreiend, sondern zwanghaft und
aufgesetzt. Dass einem das Lachen vergeht, ist sicherlich ein durchaus
gewolltes Ziel eines kritischen Kabarettisten, aber sicher nicht in der Form,
als dass es nicht durch Inhalte, sondern durch Überreizung der eigenen
Stilmittel und somit Stärken hervortritt.
Nüchtern betrachtet hat der Fall seine Höhen, zählt aber sich nicht zu den
Besten. Die Besonderheit ist die Schreibweise und genau diese kann Steinfest
auch gekonnt nutzen. Es ist nur leider zu viel, beziehungsweise je nach
persönlichem Geschmack zumindest an derselben Grenze.
Das Buch macht Spaß, ist kurzweilige Unterhaltung – vielleicht sogar
eine gesonderte Erwähnung wert, weil es eben doch dieses Innovationspotential
mit sich herumträgt, aber es ist leider nicht nur Gold was glänzt. In der Regel
sind es übertrieben stark geschliffene und gewetzte Klingen.