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oder verpass das Schönste.
Buch, Bücher, am büchsten - hier gibt's viele bunt durchgewürfelte Buchrezessionen und Empfehlungen, weil es eben mehr als nur ein Zeitvertreib ist.

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Mittwoch, 16. Mai 2012

Stav Sherez – Insel des Schweigens


Ich hatte das Buch "Insel des Schweigens" von Stav Sherez hier schon einmal erwähnt als ich erfolglos die Namen der drei Hauptprotagonisten suchte. Nach einem Telefongespräch war dies in wenigen Minuten geklärt und so kann dieser Bericht endlich geschrieben werden. Denn hier findet sich Licht und Schatten zuhauf.

Anfangs startet der Krimi unnötig brutal und detailliert ekelhaft. Auf einer griechischen Ferieninsel wird eine übel zugerichtete Leiche eines Jungen gefunden, übersät mit Tausendfüßlern und alles deutet auf ein schauerliches Ritual hin.

Kommissar Nikos Yannopoulis ermittelt und fühlt sich an ähnliche Ereignisse in den 70ern erinnert. Und irgendwie, zieht das Buch anfangs noch so was von überhaupt nicht.

Etwas belebend wirkt da die Rolle Kittys, einer Schriftstellerin mit Schreibblockade welche spontan, ihrem dominanten Ehemann entflieht, indem sie kurzfristig Urlaub auf genau dieser Insel macht.
Der Dritte im Bunde ist Jason, ein Fan und Stalker Kittys, der ihr unbedingt sein Manuskript zeigen will und ihr hinterspioniert. Auch er ist anfangs eine absolute unsympathische Rolle.

Und so braucht es leider einiges an Zeit, bis sich das Buch prächtig entwickeln kann. Während Nikos unsagbar lange im Dunkeln um hertappt, macht sich Kitty mit Unterstützung von Jason ebenfalls daran, diesen Fall zu lösen. Ein „glücklicher“ Umstand verschaffte ihm nämlich die Gelegenheit, ihr doch um einiges näher zu kommen. Nikos findet heraus, das einiges an der offiziellen Version der damaligen Ereignisse nicht stimmen kann, stößt aber auf eine Mauer des Schweigens. Auch Kitty und Jason kommen der Wahrheit immer näher, bringen sich damit aber zugleich mehr und mehr in Gefahr.
Das ganze ist überzogen von einer unglaublich zermürbenden, hilflosen Trägheit einer verschwiegenen Bevölkerung und einer in gewissermaßen sterbender Insel mit dunklen Geheimnissen.

Und hier liegt in meinen Augen die große Tragik und Stärke des Buches. Es ist ein sehr melancholisches Bild, welches der Roman heraufbeschwört. Voll von Wehmut und Vergänglichkeit ob der tristen Realität, welche der Insel ihre Identität raubt indem sie scharenweise Touristen anlockt. Die Abneigung der Bevölkerung, florierende Drogengeschäfte, heimliche Abmachungen, ständige Zweifel und ein absolut abstürzender Kommissar flankieren diese Stimmung authentisch und ausdrucksstark.

Das Finale ist dabei ein herzzerreißender Höhepunkt in doppelter Hinsicht, da ist Titanic ein Dreck dagegen. Wer sich bis dahin mit den Charakteren identifizieren konnte wird einiges durchmachen müssen.

Zusammengefasst, kein perfekter aber guter Krimi, mit dem man viel Geduld haben muss, was sich meiner Ansicht nach auch bezahlt macht.

Donnerstag, 5. April 2012

Brigitte Blobel – Rote Linien – Ritzen bis aufs Blut


Wieder mal ein Jugendbuch, dieses Mal von Brigitte Blobel welche mit ihrem Roman „Rote Linien – Ritzen bis aufs Blut“ ein in der heutigen Zeit unterschätztes Thema aufgreift. Was ich persönlich erwarte, ist eine tiefsinnige Geschichte, mit ausgearbeiteten Problemen und einem feinfühligem Vorgehen, welches das Emo Klischee nicht nährt, sondern gekonnt den Wind aus den Segeln nimmt.

Der Titel ist da schon der erste Reinfall, denn plakativer kann man, neben dem „wunderbaren“ Cover nicht anfangen. Ich will jetzt auch nicht selbst viel über den Inhalt verlieren, genau genommen ist der Klappentext ideal für die Beschreibung dieses Buches:

Kitty war bisher immer eine gute Schülerin gewesen. Aber jetzt hat sie Angst – vor der Schule, vor den Lehrern, eigentlich vor allem … Sven ist der Einzige, der merkt, dass Kitty wirklich Hilfe braucht. Aber da ist es schon fast zu spät.

Was aufgefallen? Ursache, Grund etc. pp. ist sehr Wischiwaschi und das wird auch im Buch selber nicht wirklich viel besser. Die helfende Hand Sven ist in meinen Augen äußerst unsensibel und unsympathisch, die dargestellte Welt der Jugendlichen veraltert, beziehungsweise äußerst absurd fremd für mich und spätestens als Selbstverletzendes Verhalten (SVV) in einem Topf mit Suizid geworfen wird, schrillen meine Alarmglocken! Das hat de facto nichts miteinander zu tun, sondern sind zwei sehr heikle Baustellen, welche sich überschneiden können, aber nicht zwangsläufig müssen. Trotzdem entsteht hier dieser Eindruck! Halte ich persönlich für einen fatalen Fehler.

Weiter steht in dem Klappentext: „[…] ein ernstes und schwieriges Thema, von der Autorin sensibel und einfühlsam umgesetzt.“
Bemüht, ich würde es auf ein wohlwollendes „bemüht“ herunter brechen. Die Autorin will sicherlich schon, aber das Ergebnis ist es nicht!

Dafür wird die Thematik viel zu oberflächlich behandelt und genau das sollte bei solch einem Fall nicht passieren. Auch den Psychiatrieaufenthalt – ohne jetzt zu viel spoilern zu wollen – finde ich sehr unglaubwürdig.

Für kurzweilige Unterhaltung steht es jedem frei zu lesen, aber für Interessierte in diesem Bereich würde ich dann doch lieber Paulo Coelho und „Veronika beschließt zu sterben“ empfehlen. Das ist zwar auch nicht 100%-ig orthodox, aber besitzt wesentlich mehr Tiefe und Gefühl.

Und ja – Achtung Falle! Paulo Coelho handelt nicht von SVV, nicht dass der falsche Eindruck entsteht. Aber da Blobel leider wirklich alles in einem Topf wirft, kann man sich aus den Zutaten ja das Beste rauspicken.

Samstag, 21. Januar 2012

Patricia Highsmith – Der Schneckenforscher

Das im Diogenes Verlag erschienene Buch „Der Schneckenforscher“ von Patricia Highsmith ist ein (inklusive Vorwort und Nachwort) nicht ganz 300 Seiten umfassendes Sammelwerk von 11 ihrer Kurzgeschichten.

Thematisch haben diese Geschichten nicht im Geringsten etwas miteinander zu tun, aber sie vermitteln alle ein recht bedrückendes Gefühl. Überspitze und doch alltägliche Absurditäten, gepaart mit psychologischen Krankheiten, ungewöhnlichen Vorlieben oder unschönen Erlebnissen - allen Geschichten gelingt es überwiegend überzeugend und authentisch zu wirken und in ihrer ganzen Kürze enorm an Atmosphäre zu gewinnen.

Es sind absolut keine schönen Geschichten, es sind kurzweilige, aber dennoch fesselnde, teils auch nachhaltige Geschichten, es sind verstörende wie auch spannende, es sind kritische und auch nachdenkliche Geschichten, aber auf keinen Fall belehrende Geschichten.

Sie sind düster ohne an Authentizität zu verlieren, sie sind oft erschreckender weise nicht übersinnlich, trotzdem sind sie nicht normal. Wobei die Definition von Normalität in Anbetracht der Geschichten in der Tat eine interessante Frage wäre.

Ich werde nicht auf alle Kurzgeschichten jetzt eingehen, ich reiße nur ein paar wenige an. Inhaltlich kann ich nicht sehr in die Tiefe gehen sondern nur mehr einen Überblick verschaffen, sonst müsste ich sie komplett selbst erzählen:

„Der Schneckenforscher“ behandelt ein sehr komisches Hobby eines Mannes, welcher fasziniert ist vom Leben der Schnecken und dieses über alles stellt. Das ganze nimmt sehr absurde Züge an und das Ende ist ironisch und trotzdem traurig unaufhaltsam.

„Die Schildkröte“ ist eine ziemlich schockierende Geschichte über ein mehr als gestörtes Mutter-Kind Verhältnis, von Demütigungen und unfairen Machtspielchen. Auch hier ist das Ende heftig, die Geschichte sehr aufwühlend.

„Auf der Suche nach Soundso Claveringi“ ist mehr oder weniger eine richtige Horrorgeschichte. Die Suche nach einem scheinbaren Fabelwesen gewinnt trotz der bewussten und passenden Gemächlichkeit enorm an Spannung.

„Die Heldin“ ist ein einziger wahnsinniger Verzweiflungsschrei nach Anerkennung und Bestätigung einer wahrlich verrückten jungen Frau. Die dafür in Gang gesetzten Mittel sind mehr als nur gefährlich und das erstellte Portrait der Frau ist in all seinem Wahnsinn glaubhaft gelungen.

„Die Barbaren“ ist ein hilfloses Aufbegehren eines alten Mannes gegen Randalierer, welcher sich nichts mehr wünscht als in Ruhe daheim malen zu können. Auch hier eskaliert alles irgendwann und ist nicht mehr aufzuhalten.

Empfehlenswert sind sie theoretisch für jeden, aber ob jeder damit etwas anfangen kann bezweifle ich stark. Qualitativ sind sie über jede Kritik erhaben, der persönliche Geschmack und der Nutzen davon sind hier eindeutig die zutiefst subjektiven Entscheidungskriterien ob des Gefallens.

Freitag, 6. Januar 2012

Nicci French – Bis zum bitteren Ende


Nicht nur der Fall an sich ist es, welcher bei „Bis zum bitteren Ende“ von Nicci French zu überzeugen weiß, es ist auch die interessante Mischung der Protagonisten und ihr psychologisches Zusammenspiel, was diesen Thriller ausmacht.

Wir befinden uns in London und sehen die Handlung aus den Augen von Astrid, einem Fahrradkurier welche das zweifelhafte Glück hat, innerhalb kürzester Zeit unmittelbar über zwei Leichen zu stolpern. Astrid lebt zusammen mit 5 Freunden in einer WG und die Dynamik innerhalb dieser WG ist der Dreh- und Angelpunkt des ganzen Romans.
 
Da wäre zum einem Miles, dem Hausbesitzer und gleichzeitig ihrem Ex-Freund, welcher mit seiner neuen, giftspritzenden Freundin Leah in das Haus einziehen und die WG notgedrungen auflösen will oder dazu gedrängt wird dies zu wollen. Aber auch undurchsichtige Charaktere wie Owen oder Mick, die durchgedrehte Pippa, den netten Davy und den sich mehr oder weniger durchschnorrenden Dario.

Die Charaktere streiten sich, sind verschiedener Meinung, reiben sich aneinander auf – aber irgendwie hat man Anfangs noch ein ziemlich heimeliges, wohliges Gefühl.
Spätestens als Leah aber vermehrt auftaucht und die ganze WG aufgrund der Leichenfunde unter Verdacht gerät, ändert sich dies aber zunehmend. Plötzlich redet man hintereinander, Gerüchte werden gestreut und als sich das ganze scheinbar auflöst, kommt zack – ein Wechsel.

Alles was bisher passierte wird jetzt aus der Sicht des Täters erzählt, die ganzen vorherigen, noch harmonischen Szenen bekommen einen herben Beigeschmack und wie auch der Leser es nicht ahnte, sieht man, das niemand der Hausbewohner den wahren Täter für den Täter hält.
Dieser Schnitt ist in gewisser Weise sehr gut gelungen und ein wirklich überraschendes Stilmittel.

Der wesentliche Blick für das Zwischenmenschliche und die gruppendynamische Entwicklung, sowie auch eben jener kühne Umschwung, trösten mit Bravur über das doch sehr rasche Ende und kleinen Schönheitsfehler hinweg.

Den großen, nervenzereisenden Thriller darf man hier nicht erwarten, dafür erhält man aber auch einen trotzdem noch spannenden Roman mit starken Charakteren. Insgesamt eine gute Leseempfehlung.