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Samstag, 16. Juni 2012

Tobias S. Buckell – Chilo


Ein Science Fiction Roman, darauf hatte ich mich ehrlich gesagt total gefreut, immerhin war ich schon in der Grundschule ein großer Fan von „Star Trek“. Dieser Name fällt unter anderem auch auf dem Klapptext, zusammen mit „Star Wars“ und „Der Wüstenplanet“. Leichte Einflüsse davon kann man eventuell finden, insgesamt hat es Tobias S. Buckell aber mit „Chilo“ geschafft ein sehr gewaltiges und autarkes Universum zu erschaffen.

So immens gewaltig mag es unter anderem deshalb erscheinen, da die Welt von zig verschiedenen Menschenstämmen, Mischwesen und Aliens besiedelt ist, die alle wie eine gewaltige Flut anfangs über den Leser zusammen schwappen. Im Nachhinein habe ich erfahren, dass es von dem Autor schon zwei Bücher zuvor gab, welche alle irgendwie und irgendwo in diesem Universum handeln, wenngleich zeitlich verschoben.

Das wurde zwar nicht wirklich auf dem ersten Blick ersichtlich, aber ich will Gnade walten lassen und sehe daher großzügig darüber hinweg, dass mir fremde Begriffe nur so um die Ohren flogen. Denn insgesamt ist der Roman schon in sich geschlossen und stimmig und am allerwichtigstem: innovativ!

Daher ein hoffentlich sanft genuger Einstieg in die Materie:

Die Handlung dreht sich primär um Timas, wohnhaft in Yatapek – einer schwebenden Stadt oberhalb der Erdoberfläche des unwirtlichen Heimatplaneten Chilo. Dieser hat eine so heiße und giftige Erdoberfläche, dass ein Leben dort nicht möglich ist. Blöderweise befinden sich die Rohstoffe aber genau dort und die Geräte für die Bergung (Cuatetl genannt) gehen altersbedingt immer öfters kaputt. Dummerweise ist Yatapek eine zu arme Stadt, als dass sie sich moderne Maschinen leisten könnte. Ausgeholfen wird mit Hilfe der angesehenen Xocoyotzin, zu denen auch Timas gehört. Hinter diesem kompliziertem Namen verbirgt sich allerdings nichts anderes als die Tatsache, dass damit magere und nicht ganz ausgewachsene Jungs gemeint sind. Denn nur diese passen in die veralterten Druckanzüge, welche ein kurzfristiges Überleben an der Erdoberfläche möglich werden lassen um die Schäden unter Lebensgefahr zu reparieren. Da die Familien von Xocoyotzins ebenfalls sehr angesehen sind und auf den oberen, sauberen Ebenen der fliegenden Stadt leben dürfen, übergibt sich Timas auch regelmäßig nach jeder kurzen Mahlzeit. Nur so kann er gewährleisten, noch länger in den Anzug zu passen. Für neue Anzüge fehlt eben das Geld und vor allem Timas Vater nutzt diese Sonderstellung seiner Familie schamlos aus um seinen Einfluss zu sichern oder zu erweitern.

Die Bewohner der Stadt beten die alten Götter an und es ist verboten an Aliens oder dergleichen zu glauben. Immerhin wurden ihre Vorfahren von den Satrapen jahrelang unterjocht. Gefährlicher außerirdische Wesen, welche in einem Krieg irgendwann in der Vorzeit von der Menschheit ausgerottet wurden.

Diese hatte sich insgesamt im gesamten Universum verstreut und bildet ebenfalls verschiedene Machtblöcke. Da wären die Bewohner Chilos und die außerhalb umher fliegenden Städte und Raumschiffe. Bemerkenswert und im weiteren Verlauf wichtig sind dabei die Äolier. Dies sind hochentwickelte Menschen welche auf einem überlegenen technischen Stand sind und mitunter mit der Technik verschmelzen und über sogenannte Avatare permanent Volksentscheide durchführen.


Die Streuner sind ein loser, militärisch starker und neutraler Verbund von Schmugglern, Piraten und das Zünglein an der Waage zwischen vorrangig beschriebenen Gruppierungen und „Der Liga“, einem nicht näher beschriebenem Mächteverbündnis, welches gerne alle Völker und Städte in sich integrieren möchte. Diese Idee stößt allerdings auf nicht viel Gegenliebe.

Und als wäre das nicht schon kompliziert genug, stürzt eines Tages der Mungo Mann Pepper mit einem notdürftigen Fallschirm über Yatapek ab. Denn was der gesuchte Auftragskiller zu berichten weiß ist alles andere als schön. Ein Virus, welcher sich „Der Schwarm“ nennt treibt sein Unwesen und befällt eine Region nach der anderen. Ob die Liga dahinter steckt? Keine Ahnung, auf jeden Fall geht einer Stadt nach der anderen das Licht aus und es rollt etwas äußerst bedrohliches heran. Sci-Fi Zombies? Geil!

Fehlt noch der offizielle Avatar der Äolier, Katerina und wir hätten so langsam mal den groben Rahmen eingedeckt. Denn wenn man von dem etwas trägen Anfang absieht, drückt der Autor dann ganz schön ordentlich auf das Tempo und hämmert ein imposantes Kopfkino in die Gehirnwindungen.

Pepper ist der übercoole, nur sich selbst wichtige und nahezu unbezwingbare Antiheld, Timas der anfangs unsichere, ängstliche aber am stärksten wachsender Charaktere auf dessen Schultern die Verantwortung gegenüber der ganzen Stadt lastet und Katerina die undurchschaubare Repräsentation bei der man nie wissen kann, was gerade in ihr abgestimmt wird.

Zombieaction und Planetenoberflächenhorror, Luftkämpfe und Weltraumgeballer, hier ist wirklich so gut wie alles vorhanden und die Endschlacht ist so was von pompös und bombastisch, einfach saustark!

Es gibt noch etliche Details und gut eine handvoll anderer Spezies und Namen, deren Bedeutung im Verlauf kommen wird, primär aber hier an dieser Stelle nicht wichtig ist.

Ein irre gutes Buch, dessen größte Stärke auch sein größtes Manko ist. Diese geniale Komplexität wirkt, einfach so ins kalte Wasser geworfen anfangs leider fast schon überfrachtet und ist anstrengend. Ich kann mir auch gut vorstellen, dass viele mit diesem Buch absolut nichts anfangen können – ich fand es aber auf jeden Fall sehr gelungen und es hat mir viel Spaß gemacht, mich darin zu verlieren. Weil es eben doch mal auch etwas anderes ist…

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