Ein
Unbekannter dürfte der Autor inzwischen längst nicht mehr sein, für mich war er
es aber bislang und der Ersteindruck ist gewaltig. Was für ein Kracher!
Der
Thriller arbeitet viel mit verschiedenen Ebenen. Es fängt mit dem Prolog an,
jenem denkwürdigen Tag als Viktor Lorenzs zwölfjährige Tochter Josy spurlos bei
einem Arztbesuch verschwindet und nie wieder auftaucht. Dabei saß Viktor gerade
noch im Wartezimmer, ließ seine Tochter zum ersten Mal allein ins Behandlungszimmer
gehen und plötzlich soll sie nie da gewesen sein. Kein Termin und keine Zeugen
können seine Version bestätigen, für den Psychiater bricht eine Welt zusammen.
In
der Gegenwart ist Viktor selbst in Behandlung, gefangen und kurz vor einem
Prozess – versucht aber sein Gegenüber von seiner Unschuld zu überzeugen und
möchte frei gelassen werden, in dem er seine Version der Geschichte erzählt.
Diese
setzt ein paar Jahre früher, fünf Tage vor „der Wahrheit“ ein. Viktors Leben
ist mittlerweile vollkommen aus den Fugen geraten. Seine Frau hat ihn
verlassen, seinem alten Beruf geht er schon länger nicht mehr nach. Als er von
einer Zeitung um ein Interview gebeten wird, gibt er nach und versucht diesen
schmerzenden Prozess zu beenden. Dafür mietet er sich eine abgeschottete Insel
und versucht in Ruhe mit der Situation klar zu kommen und sich nach langer Zeit
der Öffentlichkeit zu stellen.
Diese
Ruhe währt allerdings nicht sehr lange, als eine mysteriöse Unbekannte vor
seiner Tür steht. Sie möchte von ihm behandelt werden, da ihre eigenen
Erfindungen sie verfolgen. Viktor lehnt ab, doch als die Schriftstellerin von
einem verschwundenem Mädchen berichtet welches haargenau auf Josy zutreffen
könnte, wittert er eine Chance. Er willigt ein sie zu therapieren.
Was
folgt ist sehr undurchsichtig. Viktor bekommt wieder Alpträume, er wird vor
eben jener Frau gewarnt und ihre Schilderungen deuten viel an, sprechen aber
nichts konkret aus. Die Grenze zwischen Realität und Fiktion wird fließend, was
wenn sie die Wahrheit spricht, wenn sie etwas weiß?
Der
Erzählstil ist extrem spannend und perfektioniert auch eine von mir gerne
verwendete Methode. Alles steuert dramatisch auf eine Entdeckung, eine Wende,
einer Überraschung, einer Katastrophe zu und zack kommt der gnadenlose Cliffhänger
und das nächste Kapitel beginnt, mitunter in einer anderen Szene oder
Einstellung. Fitzek geht darüber sogar noch hinaus, in dem er gezielt
Andeutungen und vermeintliche Hinweise streut wie – „hätte er bloß einmal
nachgedacht“ – lässt den Leser damit sehr im Unklaren und ködert ihn. Manchmal
ist es die richtige Spur, oft aber auch eine Finte.
Das
Ende dürfte nicht unumstritten sein, abhängig davon wie realistisch man dies
hält, wobei die wenigsten fähig für eine fachliche Analyse wären. Es war für mich
zwar ab einem gewissen Punkt erahnbar, ich wurde aber geschickt mehrmals von
diesem Verdacht abgebracht und die Endsequenz ist definitiv eine
unvorhersehbare Überraschung.
Es
ist die Frage inwieweit man dies akzeptiert. Wenn man sich darauf einlässt hat
man hier ein ultraspannendes Buch mit vielen geschickten, überraschenden
Wendungen in einem flotten Erzählstil, andererseits könnte man rückwirkend das
ein oder andere anzweifeln, die Pointe als etwas konstruiert empfinden.
Für mich war "Die Therapie" auch das erste Fitzek-Buch! Er hat schon nen Hang, seine Enden immer ein bisschen zu konstruieren, wobei mir das bei anderen Werken mehr aufgefallen ist, z.B. "Splitter" oder "Der Seelenbrecher". Da wurde es mir am Ende einfach etwas zu bunt.
AntwortenLöschen