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Dienstag, 16. Juli 2013

[SAMMELBAND] Patrick Hutsch (Hrsg.) – Jetzt küss mich endlich!



Folgendes Taschenbuch, welches vom Fischer Verlag heraus gegeben wurde, konnte ich an der Frankfurter Buchmesse kostenlos erhalten. Dem möchte ich gleich auch die einzige Kritik voranstellen, welche zumindest was die Erwartungshaltung betrifft unpassend, wenngleich positiv überraschend ist:

Das Cover, der Titel sowie Klapp- und Seitentext suggerieren – ohne einen Blick auf die schreibenden Autoren zu werfen – ein seichtes, fröhliches Jugendbuch rund um die Liebe. Das kann zum Einem anziehend, allerdings auch abschreckend wirken, auf eine milde belächelnde Art und Weise. Tatsächlich verkauft sich dieses Buch eindeutig unter Wert.

Ganze 17 Kurzgeschichten von Weltklasseautoren sind hier versammelt, von Robert Walser über Herman Hesse und Marie Luise Kaschnitz, Cesare Pavese, Max Frisch bis zu Judith Herman, Clemens Meyer, William Trevor und Ingeborg Bachmann und Paul Celan. Um vollkommen willkürlich ein paar der versammelten Namen zu nennen.

Es würde wenig Sinn machen, hier inhaltlich auf die Texte einzugehen – verstecken braucht sich aber ausnahmslos keiner. Und das ist auch schon das größte Lob, welches ich dem Herausgeber geben kann. Die Zusammenstellung ist grandios und stark! Es gibt absolut keinen Ausfall. Einzig mit dem Briefwechsel zwischen Bachmann und Celan tat ich mir anfangs schwer, welcher allerdings – wenn man sich auf die Art der Schreibweise einlässt und sie als authentisch und gegeben ansieht, eine surreale Tragik entwickelt die doch zwischen allzu menschlichen Eigenarten ausgelotet ist.

Ich fand so gut wie alle Texte ernst, die lächelnde Leichtigkeit der Beschreibung und des Bildes konnte ich darin nicht finden. Die meisten Geschichten haben in meinen Augen einen melancholischen Unterton, zarte Naivität und Unbefangenheit reiht sich nahtlos zwischen schockierenden, verstörenden und nachdenklichen Sichtweisen.

Dies darf nicht missverstanden werden, Gewalt ist zwar durchaus vorhanden, aber nie überstrapaziert sondern wenn, dann wohl platziert – der Thematik ein weiteres Spektrum entlockend. Nicht romantisch, aber auch nicht unrealistisch was oft mit meinen eigenen Vorstellungen kollidierte.

In der Zusammenstellung der vielen Perspektiven, gewinnt das Buch fast schon etwas philosophisches was die unterschiedliche Definitionen von Liebe angeht. Sehr vieles konnte ich persönlich nicht mit meinem Weltbild vereinbaren, was diesen verstörenden Effekt für mich erklärt. Ich hatte zu diesem Zeitpunkt viel Zeit um über die Geschichten nachzudenken und zu reflektieren, eine Chance die sich hier sehr gut anbietet und mannigfaltig Möglichkeiten bietet. Ein anderer wird dieses „verstörende“ so vielleicht als normal empfinden oder anders darüber nachdenken. Das tolle ist, diese Option besteht bei allen Texten – es wird nicht per se eine Definition vorgegeben. Man wird teilweise fragmentarisch in eine Szenerie geworfen oder in eben jener verlassen. Trotzdem bleibt etwas haften.


Atmosphärisch war vieles sehr überraschend und trotz der Kürze unglaublich tief. Interessant fand ich für mich die Frage, ob ich zwischen weiblichen und männlichen Autoren einen unterschiedlichen Tenor heraus lesen kann. Ich konnte dies nicht, es gibt hier keine geschlechtlich vordeterminierte Sichtweise. Glücklicherweise? Enttäuschenderweise? Auch wenn ich nichts anderes erwartet hatte, war ich dennoch irgendwie überrascht.

Was mir ebenfalls sehr gefiel war, dass die Texte unbearbeitet waren, sprich nicht zwingend der heutigen Zeit angepasst was Grammatik, Rechtschreibung und Schreibstil anbelangt. Es gab schwerere Texte mit eigener Schreibtechnik, welche allerdings ihre Wirkung gekonnt entfalten konnten und erfrischend anders waren.

Anfangs hatte mich das Buch enttäuscht, weil ich eben von einer leichten Lektüre ausging und dies ist sie definitiv nicht, wenn man vorliegende Geschichten als Ausgangspunkt für weitreichende Betrachtungen des Themas ansieht.
Im Nachhinein bin ich aber sehr froh darüber. Ich muss und konnte nicht alles verstehen und/oder nachvollziehen, aber es war weit mehr als nur Unterhaltung. Für mich ein starkes Sammelsurium wehmütiger, melancholischer, nostalgischer und wunderbaren Literatur.

Wenn ihr dieses Buch seht, achtet nicht zu sehr auf das Cover oder tut es gerade eben doch. Nehmt es einfach in die Hand, schlagt es auf und taucht ein. Vielleicht Geschmackssache, für mich aber ein irre inspirierendes, substanzbehaftetes Buch. Sehr gelungen!

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