Der Anfang erinnert
mich unweigerlich an „Sie nannten mich Es“ von Dave Pelzer und es
gibt in der Tat viele Gemeinsamkeiten. Ein kleines Kind (der achtjährige
Felix), eine tyrannische, brutale, faule und sadistische Mutter (Lotti) und ein
oft fehlender Vater, welcher es nicht schafft der Mutter die Stirn zu bieten
(Thorsten) – lustigerweise wie eben in obig erwähntem Buch ebenfalls in der Feuerwehrmann
ist, wenngleich nicht hauptberuflich. Die jüngeren Schwestern (Annika und
Sabine) kann man unter Umständen ebenso dazu zählen, anders ist aber die fiese
Großmutter mütterlicherseits (Giftzahn), welche Thorsten für einen Nichtsnutz
hält und welcher ihre unschuldige und hochbegabte Tochter so früh geschwängert
hat. Beruflich schuftet Thorsten in einer Kunststoffgießerei und hilft manchmal
in Extraschichten dem Onkel (Peter) von Felix in dessen Logistikunternehmen indem
er die ein oder andere Tour fährt, während er sonst ab und an bei der Feuerwehr
Menschen rettet und dafür von Felix als Held verehrt wird. Das Geld muss er
fast vollständig der raffgierigen Lotti und dem Giftzahn abdrücken, welche
einen Großteil davon sinnlos in Kleider, Schminke und dergleichen verfeuert.
Der Anfang ist daher
mehr ein unfaires Martyrium, bis eines Tages schreckliches geschieht und die
ganze Familie abgeschlachtet wird. Lediglich Felix überlebt, da er nicht
rechtzeitig von der Schule zurück kam. Erinnern kann er sich daran nicht
wirklich, obgleich er den Tatort als erster damals gesehen hatte. Die Bilder
haben sich in seinem Kopf festgesetzt, aber eine Chronologie oder einer
Sicherheit ob ihrer Wahrheit hat er nicht.
Sein Onkel Peter
nimmt sich seiner an, adoptiert ihn und schickt ihn auf eine angesehene
Privatschule, bzw. Internat um ihn dort auszubilden und als seinen Nachfolger
im inzwischen florierenden Unternehmen hochzuziehen. Thorsten ist inzwischen
geächtet und als der Täter ausgemacht, welcher sich feiger weise am Schluss
noch selbst umgebracht hat. Ein aggressiver und streitsüchtiger Mensch soll er
gewesen sein, unzuverlässig und ein Taugenichts. Felix Weltbild und Ansicht
seinem Vater gegenüber hat sich drastisch geändert und eine 180° Kehre
hingelegt, schien ihm doch sein damaliges Bild komplett verklärt zu sein. Die
Vater-Sohn Beziehung wandelt sich im Verlauf noch einige male, was Thorsten,
Peter und Felix anbelangt, was durchaus interessant gestaltet ist.
An seinem 16. Geburtstag
geschieht aber plötzlich etwas, worauf hin er meint sich an die damaligen
Begebenheiten zu erinnern. Wie der Klapptext unlängst verrät irrt er sich. Hier
hatte ich erwartet, dass aufgrund dessen er in den Fokus eines Killers gerät,
den falschen laufen lässt oder dergleichen – immerhin wird mir das Buch als ein
Psychothriller verkauft und bis dahin ist schon einiges an Zeit vergangen und sooo
dick ist das Buch auch wieder nicht. Aber das Buch verrät nicht viel und lässt
den Leser noch sehr lange im Unklaren.
Es gibt mehrere
Phasen in denen sich das Leben wieder beruhigt, bis ein neuer Verdacht
aufkeimt, dass die offizielle Geschichte nicht ganz den Wahrheiten entspricht.
Mal gibt ihm Thorstens Mutter Hinweise, mal ist es ein Bekannter oder eine Hellseherin
und auch wenn viele Überlegungen ins Leere laufen, die Zweifel bleiben –
zumindest beim Leser. Das streckt sich über eine große Zeitspanne, reißt immer
wieder alte Wunden auf und macht Felix unsicher darüber, ob das – an was er
sich erinnert – das ist was er wirklich sah, oder das was man ihm erzählte.
Sowohl offiziell als auch inoffiziell. Dazu plagen ihn mysteriöse und
verschlüsselte Träume und Visionen, welche in Verbindung mit dem Tattag stehen
– er ihre Symbolik aber nicht sicher entschlüsseln kann.
Die Spannung welche
hier aufgebaut wird, ist in meinen Augen daher nicht wirklich herkömmlicher
Art. Es gibt, das Ende ausgenommen keine direkte Bedrohung in der Gegenwart,
aber eine sehr große Unsicherheit bezüglich der Vergangenheit und ihrer
weitreichenden Konsequenzen. Man will eben unbedingt wissen, was damals
wirklich geschah, wer lügt und wer nicht und wenn, aus welchen Motivationen.
Interessant finde
ich hier an dieser Stelle auch noch die Sprache, sie ist vermeintlich sehr roh
und leicht derb in den Dialogen was ungewohnt, aber durchaus authentisch ist.
Da werden Arbeiterlieder zitiert und gesungen, Beleidigungen und Flüche ausgestoßen
aber alles in einem sinnvollen Rahmen. Ich habe mich nicht direkt daran
gestoßen, musste mich aber daran erst gewöhnen. Am Ende einige ich mich da auf
eine perfekt platzierte Hassliebe bezüglich der Sprache. Sie ist im Großen und
Ganzen gut und treffend, muss einem aber vor allem in den Dialogen liegen auch
wenn sie vollkommen ihre Berechtigung hat.
Die Geschichte ist
bis hin zum Ende sehr verworren und wird immer blutiger, schafft es aber sich
glaubwürdig aufzulösen. Ob die Handlungen der einzelnen Protagonisten immer
Sinn machen ist eine andere Frage, sie sind aber nicht unlogisch. Der
Psycho-Stempel ist gegen Ende aber dann doch verdient, insgesamt ein guter
Thriller welcher sich erfreulich vom Gros abhebt, auch wenn die Geschichte doch
recht vertraut anfing. Denn damit hat es im Endeffekt überhaupt nichts mehr zu
tun.
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